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„Die Leute arbeiten alle so hart und so viel und bis tief in die Nacht, weil sie glauben, dass sie dann langsamer sterben“, sagt sie, während sie am Herd steht und im blubbernden Vanillepudding rührt, damit der keine dicke Haut kriegt.

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Es regnete ununterbrochen. Kein heftiger Regen, aber in einem fort. Ein Geräusch, als hätten Englein vor einem weitläufigen Urinal gestanden und es laufen lassen. Männliche Englein. Pisser. Als die Gräfin ins Auto stieg und losfahren wollte, stockte die Karre. „Immer das gleiche bei Nässe“. schimpfte sie und unternahm einen zweiten Startversuch. „Alle meine Autos streiken bei Nässe, das war schon immer so, die haben alle Rheuma.“

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Die Hundekot-Tüten, die jeder Hundehalter im halben Dutzend und gefaltet mit sich herumträgt, heißen bei uns nur die Fifi-Tüten. Wenn mir beim Gassigehen langweilig wird, spiele ich schon mal mit dem Gedanken, da reinzuscheissen. Einfach nur, um dieses Bild zu produzieren. Ein Mann, der bei einbrechender Dunkelheit Aa macht in die Fifitüte.

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Es konnte passieren, dass ihr Auto eine Woche oder länger unterm Fenster parkte, ohne dass er bewegt wurde, und in dieser Zeit hatte eine kleine schwarze Spinne ihr Netz gesponnen, genau zwischen Außenspiegel und dem Seitenfenster der Fahrertür. Eine gemütliche kleine Netzagentur.

Damals fuhr die Gräfin einen sportlichen 90erjahre-Nissan, den sie von meinem Bruder übernommen hatte. Sie mietete in Ohligs ein Atelier, jeden Tag ging es jetzt zehn Kilometer hin und zehn Kilometer zurück, doch die kleine schwarze Spinne weigerte sich umzuziehen.

„Wenn ich die Stadt-Autobahn nahm, streckte sie nur ihr Köpfchen heraus und guckte nach dem Rechten, ob das Netz noch hielt, bei voller Fahrt“, erzählt die Gräfin. „Ich wusste manchmal nicht, wohin ich gucken sollte, so spannend war das. Auf die Bahn oder auf die Spinne. War nicht ungefährlich.“

Eines Tages, mitten auf der Stadt-Autobahn, wurde die kleine Spinne übermütig, sie hätte sich beinah ein Stück zu weit hervorgewagt, bei voller Fahrt.

„Sie baumelte nur noch an einem dünnen Faden, und erst als ich auf die Bremse gegangen bin und langsamer wurde, hat sie es noch knapp zurückgeschafft, in ihr Versteck hinterm Seitenspiegel.“

„Sie fand Autobahnfahren ungeheuer aufregend. Das war eine James Bond Spinne. Null Null Acht.“

Sie war ja nicht dumm. Keine Spinne ist dumm. Damit das Netz bei Tempo 120 nicht einriss, besonders dann, wenn ihr der Fahrtwind Insekten und anderes Boulevardfutter ins Netz spülte, hatte Null Null Acht das Netz ganz locker gesponnen, sozusagen extra nachgiebig. Ein cleveres Mädchen.

„Eine Spinnin“, vermutet die Gräfin.

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Bodybuilder sind ein kurioser Anblick: glänzendes Muskelgebirge, triefend vor Öl, und in der Mitte des Slips diese winzige Ausbuchtung, als stünde eine Bohne quer im Höschen.

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Unsere Welt ist eine Kirche, in der die Menschen gottesfürchtig niederknien und so tun, als würden sie beten: In Wahrheit reiben sich alle die Hände. Gebt es endlich zu.

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Supermärkte machen Babys aus uns, sagt sie. Wer weiß denn heute noch, wie man da draußen Salat und Gemüse anpflanzt.

„Die Leute wissen doch gar nicht mehr, wie das geht, sich selbst zu versorgen.“

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Donnerstag. Als ich um halb acht wach wurde, hörte ich die Sirenen heulen und dachte verschlafen: Was ist los? Sind die Masken ausgegangen? Ist Krieg? Jetzt doch noch? Aber dann stützte ich mich im Bett auf und hörte genauer hin. Das waren keine Sirenen, das waren Hummeln, eine ganze Armee Hummeln war das, die unter meinem Fenster ihr Lager aufgeschlagen hatte, am Ginsterstrauch. Sie bliesen das Startsignal zum Spätsommer! Noch einmal den Rüssel voll machen! Noch einmal Motodrom! Was für mich bedeutete: umdrehen und ein halbes Stündchen weiterpennen.

Wäre da nicht die Flotte der Genossenschaftsgärtner gewesen, die zur gleichen Zeit wie die Hummeln loslegte und Akkordgras mähte. Im Akkord Gras mähte. Scheisse war ich im Eimer. Ich brauchte noch zwei Stündchen Schlaf.

War Krieg?

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Und übrigens. Bevor ihr euch das nächste Mal wieder über irgendwas erregt, was euch das Blut hochkochen lässt, lasst euch gesagt sein: Das Geheule von heute ist das Gelächter von morgen.