Tja, ich würde sagen Totalschaden, junger Mann

Kettenbach war ein Zahnarzt, der sich für Zähne nicht sonderlich erwärmen konnte. Lieber machte er einer Assistentin den Hof oder er hing am Telefon, um beim Sektlieferanten die versprochene, aber nicht mitgelieferte Extrapulle Magnum Sport Teneriffa zu reklamieren, „so nicht, Sportsfreund!“ Überhaupt war sein Tonfall ein jovialer. „Na, gut gefrühstückt, Meister?“ war seine Standardansprache, wenn ein Patient Platz nahm im Stuhl, egal, wie grün er im Gesicht war.

Bei Zahnärzten, die sich für Zähne nicht groß interessieren, liegt die Vermutung nahe, dass sie den Beruf nur ergriffen haben, um Geld zu machen. (Ähnlich wie bei Humanmedizinern, die nicht gut mit Menschen können, aber trotzdem.) Wie anders war da seine Kollegin Quabeck, Zahnärztin aus Leidenschaft. Ambitioniert, kleinwüchsig, energiegeladen. Keine Aufgabe schien ihr zu heikel, zu hoffnungslos, um nicht gelöst zu werden. Als eine Bekannte zum ersten Mal in ihrer Sprechstunde erschien und sich auf den Stuhl traute, war Frau Dr. Quabeck alles andere als erbaut. Im Gegenteil, sie wurde richtig böse.

„Wie kann eine so schöne Frau so schöne Zähne so vernachlässigen!!?“

Erst dachte sie daran, die Behandlung abzulehnen, so empört war sie über den Zustand des Gebisses, doch nach einigem hin und her spürte sie, dass es der Bekannten ernst war mit der Generalüberholung und machte sich an die Arbeit. Zwanzig Sitzungen später, von denen die Bekannte nicht eine einzige absagte oder verlegte, war das Ergebnis zu bestaunen. Frau Doktor war so stolz auf ihr Werk, dass alle Mitarbeiter der Gemeinschaftspraxis kommen und sehen mussten. Bis auf Doktor Kettenbach. Der hatte gerade ein Telefon in der Hand und wenig Interesse an Zähnen.

*

Gestatten, Glumm, Angstpatient, Superangstpatient, Großwesir aller Panikattacken, Schmerzsensibelchen, Dentalhsyteriker. Schon in der Grundschule gab es genau zwei Dinge, die mir Angst einjagten: 1. Wenn alle vierzehn Tage Schulschwimmen auf dem Stundenplan stand, und 2. wenn es einmal im Jahr zu Beginn der ersten Stunde hieß, heute kommt der Schulzahnarzt.

Der alte Sack hatte immer was zu meckern, wenn er mir in den Mund guckte und stellte eine lange Mängelkarte aus, die mein bemitleidenswerter regulärer Zahnarzt mühselig abarbeiten musste. Ich hasste den Schulzahnarzt, und der Schulzahnarzt hasste Jungs wie mich, die faule Milchzähne hatten und den Mund nicht aufkriegten, weil sie wussten, das gibt bloß Ärger. Hass stand auf dem Stundenplan, wenn der Schulzahnarzt sich ankündigte, Hass an allen Fronten.

*

Frühjahr 1992. Ein Backenzahn, lange schon krank, hatte sich entzündet. Jeden Abend nahm ich mir vor, am nächsten Morgen zum Zahnarzt zu gehen, jeden Morgen wartete ich ab, ob die Sache sich nicht vielleicht von ganz alleine regelte. Ich las alles über Spontanheilungen und war ständig auf der Hut. Manchmal gab der entzündete Torso, von dem schon ein Teil weggebrochen war, zwei oder drei Stunden Ruhe, dann aber, von einer Sekunde auf die andere, ging’s wieder los: ein überfallartig attackierender Schmerz, so heftig, als sickerten ein Bündel Reißzwecken und Drahtstifte durchs Zahnfleisch. Ich zuckte bis in die Zehenspitzen, der Schweiss brach mir aus.

“Jetzt isses soweit”, taumelte ich verzweifelt durch die Wohnung, “jetzt isses soweit!”

Ein Aufschrei, den die Gräfin schon so oft gehört hatte, es fiel ihr schwer, mich überhaupt noch ernst zu nehmen.

“Dann geh endlich zum Zahnarzt, wenn es so schlimm ist! Mach überhaupt mal ir-gend-et-was ausser jammern!”

Ich futterte Filmtabletten, Brausetabletten und eine 30er Packung Retard-Kapseln gegen Zahnweh, sie schob mir ein Zäpfchen in der Größe eines Mini-U-Bootes in den Hintern, (“das ist das letzte, worum ich dich jemals bitten werde!”) – es brachte alles nichts, es machte keinen Sinn, nicht bei einer Entzündung.

So neigte sich die Freiwoche dem Ende zu, und Freitagvormittag, nach dem Frühstück, (“jetzt isses soweit! jetzt isses soweit!”), war es soweit: auch die allerletzte Pille Ibuprophen war geschluckt. Als das nächste Bündel Drahtstifte und Reißzwecken sich aufmachte, durch mein Zahnfleisch zu sickern, reichte es mir. Ich griff zum Telefon und rief beim Todfeind an, in der Praxis Kettenbach.

“Ich brauche einen Termin”, jammerte ich.

“Ja, einen Moment, ich schau nach, wann wir was frei haben”, flötete die Sprechstundenhilfe. Ihre Stimme hatte diesen kerngesunden Touch, der einem auf der Stelle sechzig blütenweiße Schneidezähne suggeriert. “Nächste Woche Donnerstag kann ich Ihnen anbieten. 15 Uhr?”

“Nächste Woche..? Wie, nächste Woche.. ich bin ein Notfall!”

“Ein Notfall, so so.. Wie war der Name?”

“Glumm.”

Stöhnen am Apparat. “Herr Glumm.. Schön, dann.. kommen Sie vorbei, in Gottes Namen. Aber bringen Sie Zeit mit.. viel Zeit.”

*

Halb zwölf in der Praxis. Der Warteraum war leer. Ich dachte, ich sollte Zeit mitbringen. Hier stimmte was nicht, wie immer, wenn ich die Praxis Kettenbach betrat. Kaum hatte ich mich hingesetzt, lotste mich der Lautsprecher, „Herr Glumm, bitte!“, in Behandlungsraum 2. Ich landete in Raum 3. Eine Schwester war so freundlich und holte mich da raus. “Hier lang, junger Mann..” Sie zeigte zwei Reihen der allerschönsten Zähne, dicht gestaffelt wie eine Palisade. Dr. Kettenbach dagegen wischte ohne mich eines Blickes zu würdigen über den Gang, ein arroganter Kittel-Herr, ohne Interesse an irgendwelchen Patienten. Er hätte am liebsten mit Pressluft gebohrt, um schneller Feierabend zu haben. Ich mochte ihn nicht, er mochte mich nicht. Er mochte überhaupt nichts und niemanden.

Als ich ein Jahr zuvor wegen eines schwierigen Eckzahnes in seiner Behandlung gewesen war, hatte er mir vier Betäubungsspritzen verpassen müssen, bis ich endlich Ruhe gab und er die Ruine ziehen konnte. Davon erzählte ich ihm sicherheitshalber, als ich jetzt im Stuhl saß.

“Ich mein, könnte ja sein, dass davon nichts im Patientenblatt vermerkt ist..”

“Nun lassen Sie mich mal machen, junger Mann. Ich kenne mich ein bisschen aus in der Materie, das müssen Sie mir schon zugestehen. Und mit einer Spritze muss ich ja schließlich anfangen.. eine nach der anderen, Schritt für Schritt.”

Zwischen den Spritzen wechselte er ins benachbarte Behandlungszimmer, um lauthals mit einer befreundeten Patientin zu scherzen, während ich mit taub werdender Backe die Hinrichtung erwartete. “Ojemine, ojemine, der ist hin, der ist hin..”, hatte Kettenbach nur gemurmelt, als er das Röntgenfoto betrachtete. “Tja, ich würd sagen, Totalschaden, junger Mann.”

TOTALSCHADEN. Das hätte er am liebsten in blutroten Lettern auf ein schneeweißes Banner projiziert und schadenfroh in mein Blickfeld gehängt, doch nach der dritten Spritze änderte sich seine Gemütslage und er verlor allmählich die Nerven. Wie ein Jahr zuvor war der entzündete Zahn trotz der gewaltigen Dosis Anästhetikum immer noch nicht vollends betäubt, im Gegenteil, schon bei der leisesten Berührung stand ich im Stuhl.

Es war ein Gefühl, als treibe der Doc einen Wurfstern durch den Zahnhals.

“Sie scheinen mir ein wenig übersensibel, junger Mann..!”

“Ja. Das sag ich doch!!”

Die vierte Spritze, (wie letztes Jahr, wie letztes Jahr!), setzte er mitten ins Zentrum des erkrankten Nervs.

“Das ist jetzt die finale Möglichkeit.. Es kann natürlich sein, dass die Entzündung schon so weit fortgeschritten ist, dass keine Anästhesie mehr greift. Das kann in diesem fortgeschrittenen Stadium natürlich sein, ganz klar. Dann haben wir die Arschkarte gezogen, Mister Strandgeflüster.” Jetzt wusste ich, woher der Wind wehte: Er hielt mich für einen Beach Boy, einen verdammten Hippie, der immerzu nach seiner Mama schrie, wenn es ernst wurde. Wieder setzte Kettenbach die Greifzange an, doch als er diese eine Stelle antippte, ganz leicht nur, röhrte es aus meinem Kiefer, tief und dunkel, “booorgg!!!”

“Fertig, aus! Das hat kein Zweck mit dem Mann! Dafür übernehme ich keine Verantwortung mehr!” Kettenbach knipste die Halogenleuchte aus und erhob sich. “Sofort in die Lukas-Klinik mit dem Mann..! Sollen die entscheiden, was die machen. Dafür übernehme ich keine Verantwortung mehr!”

Die Assistentin verschwand in Richtung Rezeption, mit geschätzten siebzig Stundenkilometern und hektisch geröteten ALARM-Backen watzte sie den Gang hinunter, während ich den Tränen nahe im Behandlungszimmer blieb und nicht weiter wusste. Ich hatte die verdammte Ruine immer noch im Mund. Es war ein Desaster. Kettenbach drehte mir demonstrativ den Rücken zu und verfasste den Bericht für die Lukas-Klinik.

“Vielleicht machen die in der Lukas-Klinik eine Schnellanästhesie”, murmelte er, “keine Ahnung, sollen die entscheiden.”

“Kommt das öfter vor?” erkundigte ich mich vorsichtig.

Er fuhr herum.

“Das ist mir noch nie passiert, in meiner ganzen Laufbahn nicht, nicht seit ich selbständig bin, in dreiundzwanzig Jahren nicht, junger Mann!” Er sah den Schock in meinen Augen und milderte seine Stimme. “Am besten wär, Sie saufen ne Flasche Whisky und ich hau Ihnen kurz was auf die Fresse und dann raus mit der Ruine, so wie früher im Wilden Westen.. ich mein, wegen nem scheiss Zahn. Aber das kann man ja nur unter Freunden machen.”

Ich hätte ja gern gelacht, und suchte den Ausgang.

“Da gehts raus, junger Mann”, lenkte eine weibliche Stimme freundlich ein. Die waren überhaupt alle so verdächtig zuvorkommend plötzlich, der Doktor und seine Assistentinnen, das liebe Vieh.

Ich machte, dass ich rauskam.

*

Ich hab mich mal gefragt, woher das kommt, meine Angst vorm Zahnarzt. Ich geh den Dingen ja gern auf den Grund. Sagen wir, ich nehme gern Witterung auf, bis zu dem Punkt, wo es zu stinken beginnt, schon bin ich in Nullkommanichts über alle Berge. Es liegt an der Haltung, die so ein Zahnarztstuhl abfordert. Nichts ist mir verhasster, als in Opferhaltung auszuharren, das Maul bis zum Anschlag aufgerissen, den dentalen Fertigkeiten eines Fremden ausgeliefert, von dem mir nicht mehr bekannt ist als das Diplom an der Wand. Meine Haltung im Zahnarztstuhl ist verkrampft, das Herz ein Bewegungsmelder. Vom Hochfrequenz-Surren des Bohrers in eine irrationale Form von Angst getrieben, die Hände ineinander verknotet und über den Weichteilen gekreuzt, stumme Fischschreie ausstoßend.

Man kann die Behandlung ja nicht unterbrechen und sagen, he, Meister, lass gut sein, ich hab genug für heute, lass uns nächsten Donnerstag weitermachen. Wer die Schmerzen los sein will, muss bis zum Ende durchhalten, in bitterer Opferhaltung, der Mund eine gähnende Fuchsfalle. Man ist dem Wohl und Wehe einer gänzlich fremden Person ausgeliefert. Wenn die will, macht die Eisbein aus mir. Oder verpasst mir Lachgas und vögelt die Stuhlassistenz, und meine Kasse rechnet Bleaching ab.

*

Mit eisiger Backe eilte ich den Werwolf entlang Richtung Graf Wilhelm Platz und stieg in ein Taxi.

„Zur Lukas-Klinik.“

“Direkteinweisung vom Zahnarzt?” fragte der griechische Fahrer mit kurzem Blick auf den Umschlag in meiner Hand. (DENTAL-LABOR).

Ich nickte. “Vier Spritzen. Alles nichts genutzt. Voll entzündet.”

Es war, als hätte ein Automat aus mir gesprochen, einer dieser alten Märchenwald-Automaten, wo man 50 Pfennig einwirft und eine nuschelnde Märchenwald-Stimme erzählt von Zahnärzten und ihren dreckigen Machenschaften. Vor lauter Beruhigungsspritzen spürte ich kaum noch meinen Mund.

“Kenn ich, kenn ich alles..” Der Fahrer winkte ab, ganz der erfahrene Profi. “Hab ich alles schon durchgemacht. Aber keine Angst, damit haben die in der Lukas-Klinik keine Probleme. Das sind Vollprofis da. Du kriegst eine Schnellnarkose, bist kurz weg, und wenn du wieder zu dir kommst, ist alles erledigt und du kannst praktisch nach Hause.”

Während der Fahrt über die Stadtautobahn hörten wir Lokalradio. Die beiden Täter, die am Wochenende einen jüdischen Friedhof in Wuppertal geschändet hatten, waren gefasst. Zwei Jungs. Einer zwölf, der andere dreizehn.

“Das sind ja noch Blagen”, schimpfte der Grieche. “Die haben ja nicht mal Haare am Sack! Was die brauchen, ist eine richtige Tracht Prügel. Richtig was auf die Fresse, so wie wir früher. Was wir alles angestellt haben..”

*

Solingen-Ohligs, Lukas-Klinik.

Auf dem Weg zur Kiefer-Chirugie begegneten mir zwei Pflegerinnen, die ein Krankenbett über den Flur schoben. Dem Patient standen kreuz und quer Drähte im Gesicht, in seiner Nase steckte ein blutverschmierter Schlauch, das Haar war dünn und brüchig und ähnelte zerdrückten Karoffelchips.

“Ich arme Sau”, wimmerte ich.

“Nun machen Sie mal die Tür zu, junger Mann!” blökte die Frau an der Anmeldung. “Eigentlich ist ja nur bis zwölf Bereitschaftsdienst..”, sie schaute zur Wanduhr, “.. aber ich werd mal sehen, was sich machen lässt. Nehmen Sie im Wartezimmer Platz. Aber nicht türmen, junger Mann!“

„Türmen..? Ich?“

„Ja, Sie. Sie sehen aus wie jemand, der türmt.”

Ich suchte ein Münztelefon und rief zuhause an. Die Gräfin hatte meinen Anruf erwartet. Befürchtet. Mit meiner dicken Backe klang ich verbeult und kläglich.

“Ich bin in der Lukas-Klinik.. Ja.. Genau.. Lukas-Klinik. Nee, Kettenbach hat nicht geklappt. Ich krieg nochmal ne richtige Betäubung..”

Erst bekam die Gräfin einen Schreck, dann fand sie die Situation komisch, und ich legte auf.

Kaum hatte ich wieder im Warteraum Platz genommen, wurde ich über Lautsprecher in Raum 2 gerufen. Der diensthabende Zahnarzt war mir sofort sympathisch. Ungefähr mein Alter, das Gesicht voller Sommersprossen, wie ein Tablett Likörchen. Zur Vertiefung der Anästhesie reichte er mir eine Pille und im Anschluss weitere zwei Betäubungsspritzen, die laufenden Nummern 5 und 6. Na, das war doch schon mal was.

Was auch immer der Mann tat, er gab sich alle Mühe und erklärte mir die Vorgehensweise, wobei ich nicht die Bohne kapierte. Es ging um den wichtigen ph-Wert im Gewebe? Aha. Ich nickte immerzu und dachte, du bist ein Profi, nicht wahr? Sag, dass du ein Profi bist! Sag es! Seine volltönende Stimmlage tat gut, entfaltete hier und da sogar die beabsichtigte leicht sedierende Wirkung. Ein Zahnarzt muss immer auch Hypnotiseur sein.

“Ich dachte, ich krieg hier eine Schnellnarkose”, hüstelte ich.

“Nee, machen wir nicht mehr, ist zuviel Aufwand für einen Zahn. Und dann womöglich noch eine Stunde im Aufwachraum und solche Geschichten, nee, nee, machen wir nicht mehr..”

Im Gegensatz zum verpimpelten Kettenbach trug der Profi weder Mundschutz noch Einmalhandschuhe. Er war ein Naturbursche durch und durch. Es war natürlich auch möglich, dass er sich bei früheren Spätschichten bereits mit HIV infiziert hatte, und dass es jetzt auch nicht mehr draufankam.

“Atmen Sie ruhig und gleichmäßig durch die Nase.. Niemand reisst Ihnen den Kopf ab.”

Während er das Brecheisen ansetzte, hielt die assistierende Schwester meinen Kopf fest.

“Sie müssen jetzt mal eine halbe Minute lang tapfer sein. Sehr sehr tapfer..”

Ach du Scheiße..! Wie klang das denn? Ich war auf dem Schafott! Ich klammerte mich an der Armlehne fest. Ich arbeitete mit den Beinen. Ich schrie durch meinen Kopf. Ich..

“Toll, wie Sie mitarbeiten. Gaanz toll machen Sie das..”

.. war sechs Jahre alt und am Ende. Und dann, mit einem kurzen schmerzbekloppten Ruck, war der infizierte Backenzahn draussen. Es war, als hätte man mir den ganzen Kiefer aus der Verankerung gerissen. Ich hatte noch nie einen so tiefen, aber kurzen Schmerz empfunden.

“Wunderbar! Geschafft!” hörte ich Jubelchöre, von irgendwoher. “Aber der war schon ganz infiziert, der Zahn. Hier.. schauen Sie.”

Ich blickte schnell woanders hin und sackte in den Stuhl zurück. Überall Blut. Auf der Stuhllehne, auf dem Boden, am Kinn, am Sabberlatz. Die Schwester lächelte mich an und stopfte Watte in die Wunde, in einer solchen Menge, dass ich dachte, die Puppe rollt einen Wintermantel aus.

Zurück in die Innenstadt nahm ich die Regionalbahn. Leute im Abteil starrten mich an, als käme ich vom Jupiter. Was sie zu sehen bekamen war ein Tampon, der aus meinem Maul quoll wie ein kleiner blutiger Zigarrenstumpen. Ich sah arg ramponiert aus, keine Frage, aber im Inneren war ich die Ruhe selbst. Ich war überglücklich. Es war geschafft. Ich schwebte heimwärts.

 

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13 Gedanken zu „Tja, ich würde sagen Totalschaden, junger Mann

  1. Oh Mann – und ich dachte immer, ich bin die Oberangsthäsin. Aber du toppst mich tatsächlich.

    (Ich fange jetzt aber nicht mit Erzählen an … nächste Woche erste Kontrolluntersuchung beim zigsten Zahnarzt … nach zig Jahren.)

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  2. klappe auf schnauze halten und durch
    3 spritze brauch ich auch immer
    ich dachte immer das lag am koksen
    sind die zähne erst raus
    aber
    ich werde mit Zahnärzten nicht diskutieren mehr
    obwohl ich recht hatte und der Wurzelgeschädigte weissheitszahn abricht und er Überstunden machen musste und ich mit fesseln geknebelt dem Untergang mit Genickstarre entgegen kam,kaum
    einfach zum zum heulen –
    hatte aber vorgesorgt ,ich erzählte ihm den Proff das ich schon als Kind
    Milchzähne hatte mit Wurzel
    das glaubte er mir nich!
    gut !

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  3. Großwesir aller Panikattacken,Schmerzsensibelchen -das ist…genial?wenn ich Dir mal in’s Hirn reinschauen dürfte… Mike war vier Jahre jünger als ich.nachdem ich jahrelang voll drauf war und jegliches Interesse an Sex und Frauen verloren hatte,war Mike nach meiner Therapie genau der Richtige,der mir zu einem gloreichen Comeback am Fleischmarkt verhelfen konnte.das war nicht der Grund warum wir plötzlich zusammen abhingen.er war mal mit ner guten Freundin von mir zusammengewesen und waren immer auf einer Wellenlänge.wir trafen uns zufällig wieder.ich war rückfällig,fing aber seltsamerweise erstmal wieder mit Chemie an-und Mike hatte mit Anfang 30 kurz vorher anscheinend entschieden auch seine Sucht zu verlagern.von einer ausgeprägten Sexsucht zu einer Speed-Sexsucht.er kannte unfaßbar viele Frauen,mit 80% hatte er mal was gehabt,die anderen 20% waren Freundinnen seiner Freundinnen.heute weiß ich,daß seine ausgeprägte bipolare Störung ausschlaggebend für seinen ständigen Partnerinnenwechsel war.na,jedenfalls war es wirklich so,durch ihn kannte ich ruckzuck Unmengen an Frauen und mit so ein Comeback hatte ich mir nicht mal erträumt.anscheinend war mein Nachholbedürfnis enorm.was ich aber eigentlich erzählen wollte;zu dieser Zeit,ca 2007,übernachtete Mike bei mir.nicht nur er,auch noch ne Handvoll anderer Leute.irgendwann wurde ich wach und Mike war verschwunden.erst dachte ich er wäre abgehauen.nach ca ner halben Stunde ging ich auf’s Klo-und da saß er.das Maul weit aufgerissen,Skalpell in der Hand,weiß bis heute nicht woher,das Gesicht eine Art Fratze,vom Schmerz verzerrt.seit Wochen klagte er über Zahnschmerzen,da er zu dem Zeitpunkt keine Krankenversicherung hatte und er auch zumindest ein Kleinwesir der Panik war,sniefte er sich lieber die Schmerzen mit Unmengen Amphetaminen weg.bis zu dieser Nacht,dann ging nichts mehr.ein Abzeß hatte sich gebildet und war bis unter seinem Auge hochgewandert.da es damals noch keine Fotos auf den Krankenkassenkarten gab,überredete ich eine von meinen Gästen mit Mike und meiner Karte ins Krankenhaus zu fahren.natürlich hieß Mike jetzt erstmal Andreas.kurz gesagt,ein Tag später und er hätte es wohl nicht überlebt.der fake mit der Karte flog zwar irgendwann auf,aber das war’s natürlich wert.aber der Anblick wie er sich versucht den Abzeß wegzuschneiden und die Schreie,die er bis zur Abfahrt ins Krankenhaus von sich gab,die haben sich in mein Hirn eingebrannt.nicht schön!

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  4. lieber andreas, woher weißt du wie ich mich fühle….grins
    und immer wieder erkenne ich mich oder in teilen in deinen geschichten / lebendig und so geschrieben das ich während dem lesen alles um mich herum vergesse / vielleicht hätten sie mir damals deine geschichten beim zahnarzt zum lesen geben sollen / denn von schweißausbruch bis wieder gehen oder dem doc in den finger beißen war da alles dabei / sogar hypnose versuchte einer / geholfen hat dabei so gut wie nix / und kiffen vor dem zahnarzt war auch shit / und erst viele jahre später habe ich verdammtes lehrgeld=zahngeld bezahlt und musste es dennoch ertragen / kommt bei mir gleich nach hno arzt / ich kann mich an keine deiner geschichten erinnern die mich nicht fesselten beim lesen und sie kommen so lapidar daher und haben soviel leben in sich wie selten / unspektakuär mit einem zauber wie ich es kaum benennen kann / sie wirken fast alle so leicht und haben dabei so viel tiefe / chapeau und danke.

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  5. Mann, die Erinnerung an den Schulzahnarzt hatte ich bis dato erfolgreich verdrängt.
    Was auch richtig scheiße war: Die Pflichtimpfungen mit diesen riesigen überdimensionalen Spritzen, fette runde Narben hinterlassend. Grundschule in den 60ern…, pffff.

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  6. Sehr vertraut …meine Leiche im Kiefer ist nun seit 18 Monaten tot..jaaaa irgendwann geh ich dann auch mal zum Zahnarzt…wenn ich Zeit habe …oder nee es wieder wehtut …wenn das Ibu nicht mehr reicht….zum ziehen 😉

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  7. Pingback: Sonntagslinks | Papas Wort

  8. Glumm, du bist ein Dental-Hysteriker vom Feinsten. Wie ich selbst.

    Bis zum heutigen Tag.
    Hab gelacht und mich selbst sofort wieder erkannt. Fiel gar nicht schwer.

    Papa brachte mich im zarten Aler von 10 (glaub ich) zum Dentisten, der ein Schulfreund von ihm war.. „Der arbeitet mit der Säge“ war sein aufmunternder Kommentar, wie immer zu solchen Gelegenheiten.
    Dem Schulfreund Dentisten rutschte der Bohrer ab, voll ins Zahnfleisch. In meins. Im Rausgehen soll ich gesagt haben: „So ein Arschloch“.
    Seitdem sind Zahnärzte für mich nur noch eine absolut zu vermeidende Begegnung. Was nicht immer umzusetzen war. Und die Angst blieb. ’88 war ich wegen der konsequenten Umsetzung meiner Phobie dann auch endlich in der Lukas-Klinik. Vollnarkose, mit einer Drainage, die die Suppe vom unteren Backenzahn ableitete. Damals zahlte die Kasse noch statinäre Aufnahme…Was waren wir Pussies daaaamaaaals…..

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