Als Neil Young Ende ’89 (Keep on) Rockin‘ in the free world herausbrachte, wusste ich nichts damit anzufangen. Lebten wir nicht in einer Welt, die mit Mauerfall und Zusammenbruch des Ostblocks gerade freier wurde denn je? Ich verstand den Aufruf nicht. Es war doch alles erreicht. (Keep on) Rockin‘ in the free world klang in etwa so subversiv, als würde der FC Bayern München 12:0 führen und im Publikum stand ein Mann mit Gitarre und forderte wütend ein dreizehntes Tor.
Fast dreißig Jahre später wissen wir, was Neil Young meinte. Was uns seit Kindertagen selbstverständlich erscheint, das Leben in einer freien Welt, in der jedermann sagen und hören und schreiben kann, was er will, diese Selbstverständlichkeit gilt es plötzlich zu verteidigen. Eine Selbstverständlichkeit verteidigen erscheint besonders schwierig, es hat diesen Beigeschmack, als habe man es nicht nötig, als würden die Dinge sich schon von alleine wieder einrenken, denn schliesslich: Wir kennen es ja nicht anders. Wir kennen keine Diktatur, keine Gesinnungsschnüffler, keine staatlich gelenkte Presse. (Jedenfalls wir im Westen und die Jüngeren nicht.) Wir sind verwöhnt von Werten, für die wir nicht gekämpft haben. Wir haben sie vorgefunden und als selbstverständlich erachtet.
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„Die sind alle gleich, die Trumps und die Putins, die Erdogans und die AFD: Die sehnen sich nach der guten alten Nazi-Zeit, wo jeder was aufs Maul kriegt, der was falsches sagt.“
- Die Gräfin
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Donald Trump wird weltweit von Nazis gefeiert, Donald Trump ist ein Nazi. (Ausmerzen des Schwachen, Auslese, Verachtung für die Menschheit, etc.) Die Hochmütigkeit, mit der er in Pressekonferenzen vor die Welt tritt und seine Sicht der Dinge vorträgt, in ideenloser, von Unkenntnis der Sachlage und Herzenskälte geprägter Sprache, ist der Beweis: Er mag nur seinesgleichen. Wenn man ihn lässt, verhilft er der weißen Rasse zu altem Glanz. Das ist es, was Donald Trump und seine Clique weißer Milliarden Dollar-Männer mit Make America great again meinen: Whites first. Whites only.
White money.
Warum Leute, die in Geld schwimmen, nichts anderes im Sinn haben, als noch mehr Geld zu machen, ist schwer nachvollziehbar, doch sie haben nichts anderes. Sie kennen nur Geld. Sie können nur kalt.
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Wir erleben die Rückkehr der lächerlichen Leute. Hitler war lächerlich, als er 1933 an die Macht kam. Seine Gestik, seine Sprache, sein Wuchs, der Schnauzbart – die ganze Gestalt war kaum ernst zu nehmen. Mussolini war lächerlich, wenn auch auf die italienische Tour. Es ging ihm mehr ums Gockeln. Er wollte Chef im Korb sein – ähnlich wie Berlusconi Jahrzehnte später.
Europa im Jahre 2017 hat reichlich lächerliches Personal im Angebot. Putin vorneweg, Viktor Orban, Erdogan, die Neurosen-Petry und der bescheuerte Holländer, der aussieht wie eine geliftete Holzmarionette.
Sie alle eint die völlige Fixierung auf die eigene Person sowie ihr lächerliches, von Neurosen dominiertes Auftreten. Jedem einzelnen von ihnen ist Selbstironie völlig fremd, sie verstehen diese Art Humor überhaupt nicht, sie verstehen nur die Machtfrage. Da ist jeder einzelne von ihnen hellwach und taktiert wie der Alligator, der lange Zeit im braunen Brackwasser vor sich hindümpelt, bis er im rechten Moment zuschnappt.
Donald Trumps Kraftmeierei auf der Bühne ist das Meisterstück der Neuen Lächerlichkeit: wenn er den Zeigefinger der rechten Hand kreiseln lässt wie ein Kasperle, dazu die Föhnfrisur einer Erbtante mit Dachschaden und eine Sprache, als würde er pausenlos in Großbuchstaben reden, das hat schon was – wenn auch keine Klasse. Großbuchstaben machen Lärm, Großbuchstaben fallen auf. Großbuchstaben sind Gorillas, die sich ständig auf der Brust trommeln: HIER, ICH!! UUH! UUH! UUH! Oder wie die Gräfin mal meinte: Großbuchstaben sind aufdringlich. Die haben den Fuß schon in der Tür, während sie noch klingeln. Die kommen in Kolonnen, wie Drücker. Das sind Vertreterbuchstaben. Die nerven. Donald Trump ist ein Faxen machender alter Vertreter, der vor seine Kolonne tritt und sich unschlagbar fühlt.
„Trump ist eine total leere kaputte Type, dauergekränkt und ewig angepisst. Er ist so verdammt reich, und die meisten Menschen mögen ihn trotzdem nicht – das ist kaum zu verkraften für einen Egomanen wie ihn. Ich wette, er sitzt seit seinem Sieg in seinen stillen Twitter-Kämmerlein und überlegt fieberhaft, wie es sich verbieten lässt, dass man Donald Trump nicht mag.“
Kränkung, das große stille Thema unserer Zeit.
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„Wenn ich alte Aufnahmen von Hitler sehe, wie er im Sportpalast steht und in die Menge brüllt, dann wünsche ich mir, ich wäre auch ein Kerl und könnte ihn vergewaltigen. So richtig auf den Boden runterdrücken und von hinten in den Arsch ficken. Genau das hätte er verdient.“
Die Gräfin
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Jeder Mann, der an die Macht gelangt, muss eine vage Idee von Größe haben, sonst geht die Sache schief. Sonst gerät die Welt in Ungleichgewicht. Bekommen sonst die Frauen ein Übergewicht? Nein. Aber die leere Seite des Mannes.
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„Donald Trump sieht aus, als hätte er wenig Gehirn. Als hätte er da vorn ein verdammtes Flachdach.“
- Die Gräfin
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Keep on rockin‘ in the free world!
Hat dies auf text & visuals rebloggt und kommentierte:
Keep on rockin‘ in the free world!
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Leider erfahre ich im Moment wenig Keep on rockin’ in the free world in meinem Umfeld, es scheint so als ob ein Teil meiner Bekannten unbedingt zu den lächerlichen Leuten dazu gehören möchte und schicken wir rechte baune scheiß Videos auf mein Handy…What the Fuck?? Ich war aber erfreut das in Koblenz 5000 Menschen gegen Petry und Co demonstriert haben!!
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Ja, verehrter Glumm, ich schliesse mich gerne deinem Aufruf an: Keep on rockin‘ in the free world!
Als ich heute ein Video von Frauen unterschiedlicher Coleur aus den USA gesehen habe, die alle nur einen Satz sagten, nämlich, dass sie Frauen der USA seien, dachte ich, wenn bei all diesen lächerlichen Leute dabei herauskommt, dass mehr und mehr auf die Strasse gehen und sagen: so nicht, dann haben die lächerlichen Leute etwas erreicht, was die anderen nicht geschafft haben: Millionen oder zigtausende auf die Strasse zu bringen! Es gibt jetzt Feinde und es gibt etwas zu verteidigen, lass es uns friedlich und bunt machen, jede und jeder auf ihre und seine Weise…
herzlichst
Ulli
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Wahre Worte, leider.
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Das ist eine sehr schön formulierte Zustand-Beschreibung der Gegenwart.
Wobei einem inhaltlich das Kotzen kommen kann.
Da kann der Schreiber auch nichts retten, leider.
Grüße !
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Pingback: Anderer Leute Worte | Fädenrisse
An Berlusconi musste ich in diesen Tagen auch denken. Und an eine Zeichnung von Crumb, wo ein feixender Bonze mit Zylinder Miss Liberty von hinten nimmt.
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Pingback: Keep on rockin‘ in the free world – A Readmill of my mind
als hätten die amis kein Wässerchen getrübt
sie können sich nicht ihrer schuld entledigen mit dem Fingerzeig
gerade die schlimmsten kriegsbetreiber und waffenforscher
na ja noch harmlos
denkt der letzte Mohikaner
oder geht’s hier nur um schwarze Sklaven
aber dass die reichen sich selber wählen, das ist neu
am neusten
das genau wie brexit
oder sollte das Volk die stimmen zählen
in der Freizeit
selbst schuld!
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hm, mit Angela Merkel als Kanzlerin, sollte man tunlichst den politischen Gegner nicht über Optik, Frisur oder das Gesicht angreifen. Meine 2 Cent
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Genau und Danke!
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sehr gut! danke für diesen beitrag!
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gestern
war
alles
als sie
uns verlassen musste…
!
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lugenpresse is a total political witch hunt, fake news by photoshop!
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ze fack is dis?
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Leider nur zu wahr ! Da kann man nur hoffen, dass diesem Typ bald ein Ende gesetzt wird !
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Die Lächerlichen sind nicht lächerlich, sondern sehr gefährlich. Sie verstehen es auf ganz perfide Art und Weise zu polarisieren und haben für alle Lächerlichkeiten eine lächerliche Lächerlichkeit parat.
Angebot und Nachfrage.
Die Nachfrage ist momentan extrem hoch, was zu immer mehr lächerlichen Lächerlichigkeiten führt.
In diesem Sinne…
Danke für den anregenden Beitrag.
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Nun: Warum kehren die lächerlichen Leute zurück an die Macht? Weil die Vernünftigen sich vor ihr drücken – und jedes Vakuum wird nun mal von IRGENDWAS gefüllt.
Aber nebenbei: Unfreiwillig komisch erscheint mir, dass hier (wie so oft schon) Neil Youngs Song so komplett fehlinterpretiert wird. Alle Welt(in Deutschland) scheint nach dem Refrain schon weggehört zu haben. Würde man auf die Strophen achten, wüsste man, dass Onkel Neil mitnichten das 13. Tor von Bayern München fordert (siehe Haupttext oben) sondern überhaupt einmal ein Tor für das Millionenheer der Vergessenen, die sich sonst irgendwann einmal rächen werden – zum Beispiel, indem sie Trump wählen.
http://www.youtube.com/watch?v=100rS7O7AtA
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