Du bist echt ein super Zwiebelschneider

„Pellkartoffeln, Butter, Salz – das ultimative Trio.“

Die Gräfin

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„Immer wieder lecker: Zwiebeln anbraten! Das wird man nicht leid!“

Auch da hat die Gräfin wohl recht. Aber vor dem Anbraten hat der Herrgott das Schälen & Schneiden gesetzt. Und da komme ich ins Spiel.

„Du bist echt ein super Zwiebelschneider“, schwärmt sie. „Wenn ich dagegen die Zwiebeln schneide, werden die beim Anbraten nie so schön gleichmäßig braun und knusprig. Genial.“

Ja dankeschön. Ich bin ein sehr genauer, ein sehr zielorientierter Zwiebelschneider. Zwiebelschneiden gehe ich als militärische Operation an. Jede Zwiebel will zu Beginn in ihre Einzelteile zerlegt werden, ich behandle die Zwiebel wie einen außerirdischen Corpus.

Zwiebelschneiden ist konkrete Zerstörung.

Nach der ersten Häutung (schälen) liegt er vor dir, der Fruchtkörper, und du gehst es an. Mit mutiger mathematischer Präzision. Rapp rapp rapp, rupp rupp rupp. Du arbeitest aus Freude am Kaputtmachen. Am Ende bleiben lauter Würfelchen übrig, du löschst den Körper als solchen aus. Man entgräte den Fisch bis zur Fischlosigkeit.

Takk takk takk klopft es auf dem Schneidebrettchen. HAKK HAKK HAKK.

Das von mir favorisierte Zwiebelmesser ist das Geschenk eines Solinger Messer-Produzenten, der 1981 auf der Inneren der Städtischen Klinik lag und bei seiner Entlassung allen Mitarbeitern der Station hochwertige Küchenmesser schenkte, als Dank für die gute Umsorgung im Spital. Wir Zivildienstleistenden lagen ihm besonders am Herzen, wir bekamen die edelsten Teile. Das jetzt 35 Jahre alte Allround-Küchenmesser tut immer noch seinen Dienst, scharf wie am ersten Tag.

Auch wenn die Feuerstelle in der Küche insgesamt das Ressort der Gräfin ist, so werde ich doch gelegentlich zu Hilfsarbeiten herangezogen. „Hilfsarbeiter!“ schallt es zur Mittagszeit durch die Wohnung, und ich eile ihr zu Hilfe. Ich schneide Paprikaschoten, ich hacke Schnittlauch, ich zerkleinere alle Arten von Gemüse und Kräutern. Gelegentlich schäle ich auch Kartoffeln, doch die werden mir immer wieder aus der Hand gerissen, weil ich ihrer Ansicht nach die Schale zu dick abtrage, „da bleibt ja kaum noch Fleisch übrig! Du Großkotz!“

Al liebsten aber schneide ich Zwiebeln. Das ist meine Domäne. Da macht mir niemand etwas vor, da bin ich derjenige, den jede Generation nur einmal hervorbringt. Die Zwiebeln sind am Ende alle gleich klein, wenn ich fertig bin, ich habe es einfach in den Fingern, es ist, als würde ich mit dem Lineal draufloshacken, als wäre das Schneidebrett aus Millimeterpapier. Zwiebeln schneiden ist mein ganz persönlicher Beitrag zur Esskultur. Fast schon eine Ballade. Es ist ganz wunderbar. Ich singe ein Duett mit dem Küchenmesser, wenn ich Zwiebeln schneide, es erinnert an Michael Jackson und Paul McCartney anno 1983, I’m a lover not a fighter. Mit großer Leidenschaft gehe ich jede gestellte Zwiebelaufgabe an, sei sie auch noch so tränentreibend.

HEULSUSE!

Was ich allerdings auf den Tod nicht abkann, sind Gemüsezwiebeln. Groß wie Russland, faul wie Russland, widerspenstig wie die Ukraine! Nein, dicke Ringe schneiden mag ich nicht. Ich mag keine dicken Zwiebelringe. Hau mir ab mit Gemüsezwiebeln, Wladimir.

Ringe! Dass ich nicht… weine!

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Ein ständiges Ärgernis im Haushalt ist (aus ihrer Sicht) mein anarchischer Umgang mit der Butter. Während sie möglichst akkurat und nur mit trockenem Messer ihre Portion abnimmt, fahre ich wie ein Punk in den Halb-Pfünder und hinterlasse lauter schmierige Stellen: die buttrigen Reifenspuren der Milchwirtschaft.

„Du Asi.“

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Und so stehen wir Spalier, das Herz mangelernährt in einer überfressenen Gesellschaft.

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„Ihr Männer wisst doch gar nicht, was in uns Frauen vorgeht“, sagt sie. „Während wir von euch alles wissen.“

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„Wenn die Handys eines Tages auf Zippo-Größe geschrumpft sind und nur noch mit winzigen Pinzettenfingerchen bedient werden können..“

„Dann..?“

„Keine Ahnung. Dann ist das eben so.“

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„Nein, ich muss nicht weinen“, sagt sie an einem dieser Tage, und fügt mit drohendem Unterton hinzu, „.. aber ich könnte.“

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Am Himbeerweg steht ein mintgrün gestrichenes Mehrfamilienhaus. Es ist genau dieses Stück Popcorn-Solingen, dass mich im Jahr 2000, zum Ende der Rotterdamkarriere, zum Fotografieren brachte, und das Fotografieren brachte mich Jahre später, nach Zehntausenden von Bildern, zum Schreiben zurück. Was ich sagen will: es war ein mintgrünes Haus am Himbeerweg, das am Anfang des Weges stand, und es steht heute noch haargenau so da.

 

 

Man könnte meinen, es spiele keine Rolle, ob die Dinge, die man beschreibt, sich tatsächlich so zugetragen haben, oder ob man es sich nur ausgedacht hat, oder vielleicht etwas hinzugedichtet, aber dem ist nicht so. Das stimmt nicht. Das ist falsch. Ausdenken ist verboten, Ausdenken ist Frevel. Der Herrgott in seiner unvergleichlichen Pracht hat es nämlich so eingerichtet, dass mit jeder noch so kleinen, aber wahren Begebenheit, die man erzählt und niederschreibt, die Welt ein wenig schwerer wird, bis es eines Tages erreicht ist, das definitive Gewicht der Welt, und alles Leben anhält.

In diesem feierlichen Moment wird die Erde eingefroren und zum Museum fürs restliche Universum. Sonntags werden Aliens von fernen Galaxien einschweben und Ausflüge machen ins Museum Erde, das sein Gewicht erreicht hat, weil alles wahr war, was ich niederschrieb.

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Sag Mutter, ich hab Scheiße gebaut.

 

15 Gedanken zu „Du bist echt ein super Zwiebelschneider

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