Paris, 8. Bezirk

Ich mag Sätze, die auf den ersten Blick nicht weiter auffallen. Wo lediglich eine winzige Irritation in der Wahrnehmung dazu führt, dass man ein zweites Mal hinguckt und sich die Sache genauer anschaut. Na scheiß drauf, auch egal.

*

Im Sommer waren wir regelmäßig per Autostopp unterwegs. Man konnte die Uhr danach stellen. Sobald die großen Ferien angepfiffen wurden, brachen wir auf. Manchmal auch schon in den Osterferien – die Osterferienuhr. Eigentlich waren wir jedes Mal unterwegs, wenn Schulferien länger als eine Woche dauerten. Außer im Winter. Im Winter ist Autostopp kein großes Vergnügen, selbst mit 16 nicht.

Oder im Sommer bei 30 Grad Hitze an staubigen Straßenrändern stehen und sich von total witzigen Cabrio-Kapit verkohlen zu lassen, die vierzig Meter weiter anhalten und freundlich abwarten, bis man mit seinen drei schweren Rucksäcken aufgeschlossen hat, nur um dann johlend Stoff zu geben, mit qualmendem Reifen, den Mittelfinger durchs offene Wagendach gestreckt, auch das ist nicht jedermanns Sache. Aber mit 16 steckt man das weg. Man schickt einfach den eigenen Mittelfinger hinterher und wartet aufs nächste fahrbare Ding, es wird schon ein Netter drinsitzen und einen aufsammeln – irgendwann.

Oder ne Nette.

1980 sind Karlos und ich Richtung Atlantik getrampt, (als Kate Bush mit Babooshka die Charts anführte), und die letzten 20 Kilometer nahm uns eine hübsche junge Französin mit, die sich ebenso wie wir auf vierzehn Tage Urlaub am Meer freute. In dem Moment, als wir auf die Küste zufuhren, kam die Sonne raus und sie rief freudetrunken „Oh, le soleil vient!“ Da kommt die Sonne! Dabei ließ sie das Lenkrad los und klatschte verzückt in die Hände.

„Le soleil! Le soleil!!“

Es hätte nicht viel gefehlt und wir wären in ein Gatter gerast, die Frau hatte echt einen Hau. Sie begegnete uns noch einige Mal in den folgenden Tagen. La Baule war ein kleiner Yachthafen voll braungebrannter Möchtegernkapitäne, doch jedes Mal schien ihre Laune ein Stück tiefer in den Keller gerutscht zu sein. Ihre Hoffnungen bezüglich der Urlaubstage hatten sich enttäuscht, das war offensichtlich. Obwohl die Sonne noch da war. Die Sonne blieb, sie war überall, und „Le soleil!“ entwickelte sich zum Schlachtruf unserer Sommertage.

Meist waren wir allerdings nicht zu zweit unterwegs, sondern als Trio. Schnaat, Karlos und ich, das war die Stammbesetzung. Und ganz egal, wohin die Reise am Ende ging, ob in die Bretagne, ins Zentralmassiv oder rüber nach England, wir landeten erstmal in Paris. Paris war so etwas wie unsere erste große Verpflegungsstelle. Paris war die schnelle Pulle, die Asterix gereicht wurde, bevor er Römer verkloppte.

Im Paris der Siebziger hatten Karlos und Schnaat ein Extrabonbon am Start, mit dem ich nichts zu schaffen hatte. Er hieß Franz, ein greiser schwuler Österreicher. Die 80 Jahre alte Rokoko-Schwuchtel bewohnte eine herrschaftliche Bude im 8. Bezirk, nicht weit entfernt vom Arc de Triomphe, den wir intern nur „Arkde“ nannten. „Wir treffen uns um 12 am Arkde“, blieb ein geflügeltes Wort über Jahre. Und genau da, am Arkde, lernten meine beiden Kumpel Franz, den Österreicher, kennen.

Franz hatte sie auf Deutsch angesprochen, als ich gerade unterwegs war, Baguette und Käse kaufen. Er umgarnte sie vom ersten Moment an, und von diesem Tag an hatten die beiden eine exklusive Übernachtungsmöglichkeit, sobald sie in Paris weilten. In seiner feudalen Stadtwohnung. Franz war in seiner Jugend mit Herbert von Karajan in eine Klasse gegangen. Später siedelte er nach Paris über und arbeitete lange Zeit als Journalist bei Paris Match. Er organisierte Film-Festivals, hatte seine Finger überall im Spiel. Der Alte erzählte Karlos und Schnaat gern von seinen Abenteuern mit Prominenten. Für einen Spielfilm hatte er angeblich dem jungen Alain Delon eine Lederjacke geliehen, die er niemals wiederbekam.

„Wenn der Alte uns an die Wäsche will, kriegt er das hier zu sehen“, meinte Schnaat nur grimmig.

Beim Trampen trug er sein Springmesser stets griffbereit bei sich, doch was Franz betraf, war es nicht nötig. Franz kriegte zwar noch einen hoch, wie er nicht müde wurde zu beteuern, aber er ließ die Finger von den Jungs, sie hatten es ihm eingeschärft. Also erfreute er sich an ihrem Anblick, das reichte dem greisen Wiener. Er war mit Karajan aufgewachsen und zur Schule gegangen, und er hatte lange Jahre als Journalist in Paris gearbeitet, als Korrespondent eines Wiener Magazins. Mich mochte Franz nicht, besser gesagt, er stand nicht auf meine wilde Lockenpracht, die vielen ungeordneten Haare waren ihm ein Dorn im Auge. Zu wild, zu durcheinander, der sieht ja aus wie ein Revoluzzer, klagte er. So ordinär. Das ganze Gestrüpp, „a gewaltiger Buschn!“ Nein, er stand auf Jungs a la Karlos und Schnaat. Schlanke Jungs, blondes kurzes germanisches Haar.

Das war irgendwie Scheiße. Ich fühlte mich ausgeschlossen. Ich musste mir jedes Mal ein Hotel suchen, wenn wir in Paris waren. Ich hatte aber keine Lust auf ein stilles stinkiges dunkles Hotelzimmer, während meine Freunde große Abenteuer zu bestehen hatten mit Springmessern und erstochenen Homosexuellen aus dem Milieu.

Nach einer weiteren faden Nacht in einer Absteige hatte ich die Nase voll. Ich war mittags mit Karlos und Schnaat am Triumphbogen verabredet, Punkt zwölf Uhr “am Arkde”, aber ich ging nicht hin. Ich ließ die Jungs warten. Sie warteten eine halbe Stunde, eine Stunde, sie wussten nicht, wo sie mich suchen sollten. Sie hatten keine Adresse, wussten nicht, in welchem Hotel ich abgestiegen oder ob mir vielleicht etwas zugestoßen war. Sie kehrten alle 2 Stunden zum Arkde zurück und schauten nach mir. Ich hatte keine Lust auf gar nichts mehr, schon gar nicht auf die große graue Metropole Paris. Den Abend verbrachte ich auf meinem Zimmer und rauchte mit grimmiger Miene das winzige Stück Haschisch, das ich dabeihatte. Es war mein erster oder zweiter Joint überhaupt, ich kriegte ihn kaum gedreht, so ungeschickt stellte ich mich an. Ich weiß gar nicht, woher ich das kleine Piece hatte, warum es in meinem Rucksack war. Na ja, zum Rauchen, okay.

Am nächsten Morgen nahm ich den Eilzug nach Köln, ich wollte nur noch weg. Wir hatten auf dem Rückweg von England Station in Paris gemacht. Karlos und Schnaat hatten keinen Schimmer, was mit mir geschehen war. Erst, als sie einige Tage später ebenfalls zurück in der Heimat waren, kamen sie bei mir vorbei. Es war spätabends, sie bauten ihr Zelt vorm Haus meiner Eltern auf. Als ich am nächsten Morgen wach wurde und aus dem Fenster blickte, stand da dieses Zelt. Als die beiden zum Frühstück reinkamen und fragten, warum ich abgehauen sei, hatte ich keine Antwort. „Kein Bock“, sagte ich nur und schämte mich ein bisschen.

Als Trio auflaufen ist bei Autostopp nicht gerade von Vorteil, welcher Fahrer hält schon an, wenn drei Sechzehnjährige mit dicken Rucksäcken am Straßenrand hocken. Zu dritt voranzukommen als Tramper ist eine heikle Geschichte, besonders in Frankreich, wo man deutschen Jugendlichen gegenüber jetzt nicht so aufgeschlossen war, dass wir täglich 300 Kilometer gemacht hätten. Intern passte es dafür umso besser, als Trio unterwegs zu sein. Die 3 ist eine mystische Zahl, wo sie auftaucht, geschieht etwas, kommen Dinge ins Rollen. Das Leben gewinnt Richtung. Die 3 steht für START und Energie, die in Fluss gerät. Die 3 ist eine heilige, eine gefährliche Zahl. Und wir waren gleichaltrig, wir waren alle drei Baujahr 60. Nach dem chinesischen Horoskop sind 1960 geborene Ratten nicht kaputt zu kriegen. Bis sie kaputt sind.

Kaum angekommen in Paris, suchten Karlos und ich grundsätzlich Jim Morrisons Grab auf dem Friedhof Pere Lachaise auf, während Schnaat was weiß ich unternahm, er stand auf David Bowie, aber Bowie lag nun mal nicht tot unter der Erde von Paris, das war Schnaats Problem, sobald wir drei die Stadtgrenze von Paris überquerten. Wir hatten zu dritt eine Menge Dinge gemeinsam erlebt und doch gelingt es mir bis heute nicht, über Schnaat zu schreiben, während mir Karlos als Figur relativ locker von der Hand geht. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur eines. Ob man über jemanden schreiben kann oder nicht, sagt über seine Originalität nichts aus. Es steckt etwas ganz anderes dahinter. Aber was? Vielleicht komme ich eines Tages noch dahinter.

Vermutlich nicht.

In den folgenden Jahren gewöhnte ich mich daran, dass Karlos und Schnaat bei der mehligen alten Schwuchtel Franz Duschnitz nächtigten, während ich mir ein billiges Hotel suchte. Franz war verrückt nach meinen beiden Freunden. Er konnte die beiden deutschen blonden Boys förmlich riechen, sobald sie den Großraum Paris betraten.

„Paris ist so lecker, wenn ihr hier seid.. hach, ich möchte schreien und strampeln und verrückt werden, wenn ihr beiden leckeren Molche in der Stadt seid..!“

Er bot ihnen Geld an, um sie verwöhnen zu dürfen, stattliche Summen, er versuchte es immer wieder, aber sie ließen den alten Sack nicht an ihre Wäsche. „Ordnung muss sein“, war das Lebensmotto des in Paris gestrandeten ehemaligen Journalisten, „aber schiffen muss ich auch.“

Im Frühjahr 78, während der Osterferien, wurden wir im Bois des Bologne zufällig fotografiert, aus dem Stand heraus. Das körnige Schwarz-Weiss-Foto erschien in der Wochenend-Beilage des France Soir. Es zeigt drei blonde Boys aus Westgermany, die durch den Wald spazieren: Karlos im kurz vor der Reise von seiner Mutter gemopsten braunen Persianer, auf dem Rücken seinen Seemanns-Rucksack, Schnaat im gepflegten Schwalbenschwanz und spitzen 20er-Jahre-Lackschuhen, ich im Nadelstreifen-Anzug, mit Nylon-Rucksack. (Wir haben das Foto nie gesehen. Franz erzählte es Jahre später Schnaat am Telefon, kurz vor seinem Tod.)

Drei blonde Rabauken, drei Rucksäcke, der Staub der Straße. Der Sommer 1978 war der Sommer, in dem Schnaat uns mit Zigeunerjazz bekannt gemacht hatte, all die Django Reinhardt Sachen. Unterwegs hörten wir von einem Zigeunertreffen in Saintes Marie de la Mer, das jeden Sommer stattfand, eine Art Wallfahrt. Auf dem Weg in die Camargue, (wo es angeblich wilde Flamingos geben sollte, von denen wir aber nie einen zu Gesicht bekamen), pausierten wir in einer Tabac Bar. Ein VW-Bus voller Zigeuner hatte uns ein Stück mitgenommen, verstohlen beobachtete ich Schnaat, wie er auf dem Rücksitz immer wieder prüfte, ob das Messer in seinen Strümpfen steckte.

In der Tabac Bar gab es eine Musikbox. Schnaat drückte Young Americans von Bowie und löste damit die Phalanx der französischen Chansons ab. Wir nahmen drei Pastis mit Wasser, fühlten uns wunderbar Französisch und taten hochnäsig wie Engländer. Wie das so ist mit 17, 18. International. Noch drei Pastis, si vous plais! Tolles Englisch. Als ältere Einheimische am Nebentisch mitbekamen, dass wir lauthals Witze vom Stapel ließen, und zwar auf Deutsch, drehte sich der Wind binnen Augenblicken und man jagte uns aus dem Lokal. Erst wussten wir nicht, wie uns geschah, was los war, bis wir es aus dem Geschrei der Alten heraushörten: sie hatten uns als Boche identifiziert. Wir hatten zu laut gelacht – auf Deutsch. Und wir waren alle drei blond. Wir flohen regelrecht über die Felder und ließen die einheimischen Franzosen hinter uns, die sich am Eingang der Bar sammelten und uns zum Teufel wünschten.

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Einige Jahre zuvor, ich war noch ein Kind, reisten wir mit der Familie zum Campingurlaub nach Holland. Als wir einen Zwischenstopp einlegten und den Käsemarkt in Gouda besuchen wollten, parkte mein Vater den Wagen in einer Nebengasse, wir wurden von Rockern angegriffen. Sie pöbelten uns als Nazis an, als “Moffen!” und droschen mit Holzknüppeln auf den Wagen ein. Wäre nicht zufällig Polizei aufgetaucht, keine Ahnung, was passiert wäre.

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Boche und Moffen, Moffen und Boche. DEUTSCHER.

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Einmal war ich auf einer Party. Auf dem Küchentisch lag ein Bildband aus, aufgeschlagen genau in der Mitte. (Künstlerszenen-Party.) Zu sehen war ein großes s/w-Foto aus dem Konzentrationslager, aufgenommen gleich nach der Befreiung durch alliierte Streitkräfte. Man sah Leichenberge, übereinander gestapelte tote Menschen, ermordete Menschen, von Boche und Moffen ermordete jüdische Menschen, hunderte von ausgemergelten hohlwangigen jüdischen Leibern, ineinander verknotet wie Schnürsenkel, ein Menetekel für das große böse Mordbrennen unserer arischen Seele. Möglicherweise waren nicht nur Juden, vielleicht waren auch Schwule, Kommunisten und Zigeuner unter den Leichen. Ich kam mehrfach an diesem Abend in die Küche und sah nach dem Bildband. Es lag jedes Mal da wie zuvor. Niemand blätterte die Seite um. Ein Leichenberg zwischen leeren Weinflaschen, Aschenbechern, Geschenkpapier.

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“Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung” war ein Stück von James Last, enthalten auf irgendeinem Sampler in der Plattensammlung meiner Eltern. Zu einer Zeit, als noch niemand von Easy Listening sprach, schuf James Last ein Stück Instrumental-Musik, perfekt für das Bild vom Deutschland der frühen Siebziger. Es war der Wunsch, sich der Welt heiter und freundlich zu präsentieren, getrieben von einer bösen Vorahnung, dass der Leichenberge-Spuk eines Tages wieder von vorn beginnen würde, irgendwann in grauer Ferne, nur bitte nicht jetzt, nicht früh am Morgen um sieben.

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11 Gedanken zu „Paris, 8. Bezirk

  1. Was für ein Epos, was für ein Zeitengemälde. Ehrlich, du hast die Zeit sehr gut getroffen. Ich war auch mit 16 und Rucksack zum ersten Mal in Frankreich; 1979 (vorher Schüleraustausch, aber das zählt nicht). Wir kamen von Irland. Die Nazi Kiste hat uns auch erwischt. In der Normandie schliefen wir bei Bauern in der Scheune. Freundliche Leute, luden uns zum Frühstück ein. Dann kam der Großvater rein, schaute uns an, schwieg und unsere Gastgeber sagten, wir müssten jetzt wohl gehen, er dulde keine Deutschen im Haus.

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  2. Das nenn‘ ich mal einen Twist:
    von der jugendlichen Unbedarftheit zu den KZ-Leichenbergen. Alle Achtung, was für ein offenes Ende dieser ansonsten so leichtfüßig erzählten Story. Und James Last passt perfekt dazu: Easy Listening, um das dunkelbraune Grauen zu verdrängen.
    Gruß Uwe

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  3. Eigentlich wollte ich die wie immer großartig erzählte Roadstory preisen. Dann sah ich sie kurz und knapp ins Nazi-Grauen abgleiten. Ich kenne dieses Umkippen scheinbar lockerer Urlaubsgeschichten selbst. Was ich also verstehen kann, ist die Assoziationskette vom Frankreichurlaub in den 70ern über die verhassten Nachkriegsdeutschen bis zu den Leichenbergen und James Last. Was ich nicht verstehen kann ist, warum so viele Menschen offenbar ganz selbstverständlich davon ausgehen, dies werde sich hier unter deutscher Regie wiederholen. Nicht morgen, aber übermorgen. Als ob das, was heute aus Deutschland (und seinen Nachbarländern) geworden ist, dasselbe wäre wie damals. Dabei ist es politisch, ethnisch, kulturell und gesellschaftlich nicht einmal im Ansatz vergleichbar. Und daran ändern auch rechtsextremistische Wirrköpfe nichts. Ich verstehe also, warum einen das Grauen von damals verfolgt – aber nicht, warum es einen in die Zukunft überholt. Es wird nicht passieren.

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  4. Ich bin Jahrgang 71 und habe von der berüchtigten Abneigung unserer Nachbar gegen uns Deutsche nie etwas mitbekommen auf meinen Reisen mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln. Erstaunlich wie sich das in den wenigen Jahren zum positiven geändert hat. In Bayern wurden wir 1986 allerdings noch wegen unserer vollgepackten Fahrräder als Zigeuner beschimpft.

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  5. wann hast du angefangen mit den Notizbüchern?
    die Szene am Arc de Triomphe `si`l vouzplatz hat was weltverbindendes
    der Rausschmiss sowieso.
    wer laut lacht der fliegt .
    auch in Unterhosen.

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  6. Paris ist immer eine Reise wert
    auch im Umfeld – zirka 30 Kilometer weiter steht ein Schloss mit Garten und Weitblick
    der Sonnenkönig residierte hier einst

    ich hab noch schön vor die Hecke gepisst.

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  7. Tja, da erkenne ich vieles wieder, nur zeitverschoben, denn ich bin 1942 geboren. Mit 15 zum ersten Mal über die Grenze, nach Holland getrampt, mit 16 nach Frankreich. Mein Fahrer hielt gleich nach der Grenze und wies auf den Horizont: ein Gräberfeld, das waren die Gefallenen der Sommes, 1. Weltkrieg. Später, 1962, ich studierte inzwischen in Aix en Provence(jdas Zigeunerfest war auch damals groß im Schwange, und Wildpferde und Flamingos gabs in der Camargue) , fuhr ich mit einem Frachter von Marseille nach Algerien, das grad befreit war. Der französische Koch weigerte sich, mir zu essen zu geben, weil Deutsche seinen Freund erschossen hatten. Das fand ich übertrieben, nach all den Gräueln, die die Franzosen in algerien angerichtet hatten. Na und so weiter. In Norwegen bitte nicht deutsch sprechen. In Israel war ich auch, als erste Gruppe junger Deutscher, die eingeladen waren. Das war 1967. Wir wohnten in einem Kibbuz mit deutschen Überlebenden, neben mir am Tisch eine sächsisch sprechende Frau im Alter meiner Mutter, die Nummer eingebrannt. Diese alten Menschen waren freundlich zu uns, Deutschland war ihre Heimat, ihre Kultur, sie hatten Mühe, sich an das Klima in Palästina zu gewöhnen und freuten sich, ihre Muttersprache sprechen zu können.
    In Griechenland – wo immer ich einen Stein umdrehte , lag ein von Deutschen Ermorderter drunter. Verhungerte, Erschossene, Verbrannte. Aber auch hier waren die Menschen freundlich. Keine Vorwürfe gegen mich, sondern eben nur immer diese Geschichten, die mich fertig machten.
    Ich mache mir keine Sorgen, dass Deutsche erneut einen Krieg beginnen – weil sie dazu zu schwach sind. Tatsache aber ist, dass viele mitlaufen werden, wenn zum Krieg geblasen wird, diese Schisser.

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    • Die Deutschen waren doch auch damals schwach, sonst hätte es nicht so viele Mitläufer gegeben. Oder meinst du die heutige Schwäche rein militärisch? Wie auch immer. Ich traue uns Deutschen nicht über den Weg. Auch wenn ich dieses Land mittlerweile mag.

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  8. Ich bin echt Fan von Dir.
    Auch weil ich mich sehr oft wiederfinde.
    Als Baujahr 68 kenne ich diese Aversionen nur noch aus den Sommerferien mit den Eltern. Erst mit dem Hauszelt und zwei Jahre später mit dem Wohnwagen, einen Eifelland.
    In Dänemark haben Jugendliche den „dt. Gruß“ vor meinen Eltern und den zwei Kindern gemacht, mit einem gezischten „tyske svine“, in Holland war seinerzeit ein „Moffe“ oder „Pupen“ mehr oder weniger „normal“ und 1977 war man in der Bretagne eben ein „Boché“.
    Ab 1978 kam das dann irgendwie im Urlaub nicht mehr vor.
    Ehrlich gesagt fand ich das nie besonders schlimm, es lehrte mich im Ausland sich zu benehmen und auch, Achtung jetzt wird’s vielleicht theatralisch, Demut.
    Ich habe seit meiner frühsten Kindheit, dank meiner Eltern, dass reisen im Blut und habe bis auf die Antarktis, alle Kontinente besucht.
    Der dt. Pass ist wohl seit den letzten 30 Jahren einer der besten Pässe weltweit zum reisen. Immer willkommen, immer hinein spaziert, kein Stress wegen Golfkriegen (US Bürger) oder kolonialer Vergangenheit (Briten bei der Einreise in Zimbabwe).
    Um den Kreis deiner Geschichte zu schließen, die Hauptopfer des Nationalsozialismus haben heutzutage nicht dieses Glück.
    So würde mich ein guter Freund aus Haifa gerne besuchen, Du musst wissen, ich lebe seit einigen Jahren in Indonesien, aber Israel und Indonesien haben noch nicht einmal diplomatische Beziehungen und auch ansonsten ist die komplette islamische Welt für ihn tabu.

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